Die Bundesregierung will Kinder beim sogenannten Elternunterhalt entlasten: Künftig sollen Angehörige für stationäre Pflegekosten nur noch zahlen, wenn sie mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Das Gesetz würde viele Bürgern, die aktuell von hohen Pflegekosten betroffen sind, enorm helfen. Doch schon regt sich Widerstand der Städte und Kommunen, die das Ganze zahlen müssten.

Nur wer mindestens 100.000 Euro brutto im Jahr verdient, soll noch für pflegebedürftige Eltern zahlen: So sieht es das sogenannte Angehörigen-Entlastungsgesetz vor. Am Mittwoch wurde das Gesetz vom Bundeskabinett gebilligt, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Nun muss der Bundestag noch zustimmen. Es ist ein Gesetz, dass viele Angehörige von Pflegebedürftigen finanziell deutlich entlasten würde.

Elternhalt: Kinder haften für ihre Eltern!

Zur Erinnerung: In Sachen Pflege gilt der Grundsatz, dass Kinder für ihre Eltern haften. Reicht das Geld des Pflegebedürftigen und der gesetzlichen Sozialversicherung nicht aus, springt zwar zunächst das zuständige Sozialamt ein. Dieses macht aber anschließend Angehörige ausfindig, die für den Unterhalt des Betroffenen einstehen müssen: in der Regel Ehepartner und Kinder.

Bei ihnen greifen die Sozialämter dann ordentlich zu. Jeder Unterhaltspflichtige muss für die Pflegekosten einstehen. Geschützt ist nur ein bestimmter Eigenbetrag: Als Richtwert gilt aktuell eine Einkommensgrenze von 21.600 Euro netto für Alleinstehende und 38.800 Euro netto per annum für Familien. Was darüber liegt, muss im Zweifel für die Pflege abgetreten werden.

Viele Familien sind aber durch die Pflegekosten überfordert. Nicht von ungefähr. Im Schnitt müssen die Bundesbürger schon 1.830 Euro im Monat für einen Pflegeheimplatz aufbringen, wenn ein Familienmitglied vollstationär versorgt werden muss. In den letzten Jahren sind die Kosten stark angestiegen. Im teuersten Bundesland Nordrhein-Westfalen kann eine solche Unterbringung gar knapp 2.500 Euro im Monat verschlingen. Die Kosten sind regional sehr verschieden.

Hier will die Bundesregierung die Bürger künftig stärker entlasten, so dass eine Freigrenze von 100.000 Euro brutto im Jahr greifen soll: Erst, wer mehr Einkommen hat, soll für den Pflegeheimplatz zuschießen müssen. Eine Entlastung sei „längst überfällig“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Auch Sozialverbände begrüßten den Vorstoß.

Kommunen sind dagegen

Ob sich das Angehörigen-Entlastungsgesetz tatsächlich wird durchsetzen können, ist aber noch nicht sicher. Denn speziell die Kommunen sind dagegen. Schon jetzt greifen die kommunalen Sozialämter den Pflegebedürftigen mit 3,9 Milliarden Euro pro Jahr unter die Arme: Tendenz stark steigend. Sie müssten auch die Mehrkosten der Pflegereform tragen, die auf bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr geschätzt werden.

Hier sei daran erinnert, dass viele Kommunen schon jetzt überschuldet sind und kommunale Aufgaben nur mit neuen Schulden stemmen können. „Es ist grundsätzlich zumutbar, dass Kinder und Eltern gegenseitig füreinander einstehen. Daran sollte nicht gerüttelt werden“, sagt folglich Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, der Funke Mediengruppe.

Es ist also noch nicht sicher, ob und in welchem Umfang die Bürger entlastet werden: Wie so oft ist das eine Frage, wer es letztendlich bezahlen soll. Doch auch wenn die gewünschte Entlastung kommt: Auf eine Pflegezusatzversicherung sollte man dennoch nicht verzichten. Ohnehin werden rund zwei Drittel aller Pflegebedürftigen in den eigenen vier Wänden betreut: Die Angehörigen nehmen hierfür oft Entbehrungen in Job und Karriere in Kauf. Hier kann eine Rente oder ein Pflegetagegeld einen finanziellen Ausgleich schaffen. Die Pflegebedürftigkeit wird weiterhin ein Armutsrisiko bedeuten.